Geheimer Hofrat Dr. Nik. Wecklein Oberstudiendirektor a.D.

(Nachruf von Ministerialdirektor Dr. Melber

Nikolaus Wecklein, Bild bei Martin Heisenberg

Nikolaus Wecklein ist geboren am 19.Februar 1843 in dem Pfarrdorfe Gänheim (Bez.-Amt Karlstadt) in Unterfranken im Tale der Wern, heutzutage Station der Werntalbahn zwischen Schweinfurt und Gemünden, als Sohn eines ehrsamen und fleissigen Landmannes und dessen noch emsigerer Ehefrau, einer geborenen Griessbauer. Seiner Mutter war der Sohn in besonderer Liebe zugetan, aber tru hing er auch anseiner fränkischen Heimat. Darum war es für ihn eine hohe Freude, als wir ihm beider Feier seines 80. Geburtstages die vom Gemeinderat seines Heimatdorfes übersandte Ehrenbürgerurkunde überreichen konnten.

Wecklein besuchte in Gänheim die Volksschule; dort wurde der Kooperator des Ortes Peter Kihn auf die hervorragende Begabung des Knaben aufmerksam; er bewog den Vater seinen Sohn studieren zu lassen und bereitete ihn selbst soweit vor, dass er im Herbst 1855 die Aufnahmeprüfung in die damalige 3.Lateinklasse am Gymnasium Münnerstadt ablegen konnte. Dorthin hatte ihn der Kooperator dem Augustinerpater P.Pius Keller empfohlen, der sich des Knaben mit besonderer Wärme annahm. Am Gymnasium fand Wecklein alsbald einen ebenbürtigen Rivalen in seinem Mitschüler Martin Schanz, einem Lehrerssohn, dem späteren Geheimrat und Professor der klassischen Philologie an der Universität Würzburg. In der ersten Gymnasialklasse 1857/58 war Wecklein der zweite, Schanz der erste, in der zweiten Gymnasialklasse 1858/59 teilten sich beide den ersten Platz; in der dritten Gymnasialklasse 1859/60 war Wecklein der erste, Schanz der zweite, aber beim Endkampf in der Oberklasse 1860/61 standen wieder beide an der Spitze. Bis zur Oberklasse wurde damals auch in den einzelnen Fächern der Fortgang nach Plätzen bestimmt, da war es denn bezeichnend für die spätere Entwicklung der beiden Rivalen, dass im Lateinischen regelmässig Schanz, im Griechischen Wecklein den ersten Platz innehatte. Beide absolviertaen 1861 mit der Note “ausgezeichnet”.

Der Unterricht am Gymnasium hatte sich bei einem im Deutschen, Lateinischen, Griechischen und Französischen dem heutigen gleichen Lehrstoff doch sehr einfach und teilweise eintönig gestaltet. Die klassische Lektüre war wenig umfänglisch, ein Buch Caesar oder Livius, zwei Gesänge Homer, ein griechisches Drama, in der dritten und vierten Gymnasialklasse war z.B. das Jahrespensum; im Deutschen finde ich als einnzigen Lektürestoff, von Musterstücken in den deutschen Lesebüchern abgesehen, in der Oberklasse Goethes Iphigenie! In der Mathematik begann Planimetrie und Trigonometrie erst in der dritten Gymnasialklasse, wozu in der Oberklasse noch Stereometrie trat; in der Physik beschränkte man sich in der Oberklasse auf eine elementare Behandlung der Statik, Hydrostatik und Dynamik. Im Französischen wurde Ahnsche Grammatik dem Unterricht während der vier Gymnasialklassen zugrunde gelegt; gelesen wurden nur einige Bücher von Voltaires Charles XII. Und Fenelons Telemaque; zum Erlernen des Englischen und Italienischen war nur wenig Gelegenheit geboten; im Englischen erhielt Wecklein zusammen mit Schanz Privatunterrischt durch einen Augustinerpater, einen geborenen Irländer. Dass Wecklein keine Gelegenheit fand am Gymnasium die Stenographie zu erlernen hat er später lebhaft bedauert: nur während eines Sommersemesters wurde sie gelehrt; aber dann starb der betreffende Studienlehrer, und so musste dieser Unterricht mangels eines geeigneten Lehrers eingestellt werden. Dagegen stand den Gymnasiasten ein Turnplatz ständig zur Verfügung, den sie ohne Aufsicht und ohne besondere Aufforderung fleissig benutzten; daher stammte Weckleins Vorliebe für körperliche Übungen, die er bis in hohes Alter als Mitglied einer Alte Herren-Riege fortsetzte.

Nikolaus Wecklein

Seinem Münnerstädter Gymnasium hat Wecklein trotz allem eine grosse Dankbarkeit bewahrt; denn das stille Landstädtchen bot den Schülern keinerlei Zerstreuungen und unnütze Vergnügungen und liess sie nur an ihr Studium denken. Asl Wecklein in das Gymnasium Münnerstädt kam, kannte er zunächst kein höheres Ziel als den Eintritt in den geistlichen Stand; schon aus Liebe zu seiner Mutter und aus Dankbarkeit gegen seinen Lehrer, den Kooperator Kihn hätte er diesen Beruf gewählt, aber es sollte anders kommen. Einerseits starben die Mutter und der Kaplan noch während seiner Gymnasialstudien und so fühlte er sich aller inneren Verpflichtung ledig und konnte sichder Philologie zuwenden, andererseits wirkten in dieser Richtung von den Lehrern des Gymnasiums besonders zwei durch eine mehr wissenschaftliche Behandlung der Grammatik und der Klassiker auf ihn ein, de junge P.Hieronymus Schneeberger, der als Rektoratsassistent in der Oberklasse tätig war, und der Studienrektor Leitschuh; dazu kam noch der Einfluss des Universitätsprofessors Urlichs, der Jahr für Jahr, so auch 1861 als Ministerialkommisär die Reifeprüfung in Münnerstadt leitete.

In Herbst 1861 bezog Wecklein die Universität Würzburg, an der er bis zum Abschluss seines Hochschulstudiums 1865 verblieb. Dort hörte er neben und nach philosophischen Vorlesungen philologische bei den Professoren Urlichs, Reuter und Grasberger, sowie historische bei Wegele und beteiligte sich schon im ersten Semester an den übungen des philologischen, später auch an denen des historischen Seminars. Wiederum förderte ihn urlichs am meisten und übte auf die wissenschaftlische Richtung seiner Studien grossen Einfluss. Schon im zweiten Universitätsjahre löste Wecklein die Preisaufgabe “Was lässt sich für die Kenntnis der vorsokratischen Philosophie der Griechen aus den Werken Platos schöpfen?”, worin besonders die Bedeutaung des Protagoras für die Geschichte der Philosophie hervorgehoben wird. Im Jahre 1865 bestand Wecklein die philologische Staatsprüfung als erster mit der ersten Note. Zunächst blieb er in Würzburg, hörte noch eine Vorlesung über Rechtsphilosophie und promovierte summa cum laude.

Ostern 1866 wurde Wecklein als Verweser der dritten Lateinklasse am Wilhelmsgymnasium in München aufgestellt. Dort traf ihn der Ausbruch des Krieges 1866, aber wegen seiner vorzüglichen Fortschritte am Gymnasium wurde er von der Aushebung zurückgestellt und erhielt im August 1866 die Stelle eines ständigen Assistenten am Wilhelmsgymnasium übertragen; am 1. Februar 1867 kam er in gleicher Eigenschaft andas Ludwigsgymnasium. Während des Sommersemesters 1866 nahm er an den Übungen des philologischen Seminars bei Professor Spengel teil.

Im September 1868 suchte er durch das Rektorat des Ludwigsgymnasiums um Verleihung eines Reisestipendiums zu seiner weiteren Ausbildung und um Diensturlaub für das Wintersemester 1868/69 nach. Im November 1868 wurde ihm – es war der erste derartige Fall in Bayern – ein Reisestipendium von 700 fl. Bewilligt, ebenso der erbetene Urlaub. So war er in der Lage, im Winter 1868/69 die Universität Berlin zu beziehen. Auf der Reise dorthin besuchte er, mit einem Empfehlungsschreiben von Professor Halm versehen, Ritschl in Leipzig, der ihm die Behandlung eines Themas anempfahl, das die Bedutung der Inschriften für die griechische Grammatik zum Gegenstand haben sollte. So erwuchs ihm in Berlin seine spätere, heute noch wertvolle Habilitationsschrift Curae epigraphicae ad grammaticam Graecam et poetas scenicos pertinentes, wofür er von Kirchhoff, dem Meister des Inschriftenkunde in Berlin wesentliche Förderung empfing. An der Universität Berlin immatrikuliert hörte er Vorlesungen bei Curtius, Droysen, Ranke, Kirchhoff, Hübner, besonders aber bei Moritz Haupt (über Aristophanes’ Vögel) und Th. Mommsen (über Römische Kaisergeschichte). Durch Teilnahme an den Sitzungen der Archäologischen Gesellschaft, in die er als ausserordentliches Mitglied aufgenommen wurde, und an den Versammlungen des Gymnasiallehrervereins, sowie durch Besuch der Berliner Gymnasien suchte er sich die Kenntnis fremder wissenschaft-licher Tätigkeit und Methode und pädagogische Erfahrungen anzueignen. Gegen Schluss des Wintersemesters eilte er anfangs März nach Italien; um die knappe Zeit auszunutzen, verweilte er nur zwei Tage in Florenz, langte am 7.März in Rom an, wurde durch die Sekretäre des preussischen archäol;ogischen Instituts Henzen und Helbig in den Kreis der Archäologen eingeführt, nahm regelmässig an den wöchentlichen Adunanzen des Instituts teil und widmete alle Zeit dem Studium der römischen Altertümer.

Da traf ihn die Nachricht, dass er vom 1.April 1869 an als Studienlehrer am Maxgymnasium in München angestellt sei, aber Rektor Linsmeyer erwirkte ihm die Erlaubnis noch einen Monat in Italien zu bleiben. So konnte er noch acht Tage in Neapel und seiner Umgebung zubringen, drei Tage in Pompeji verweilen und schliesslich noch bis Paestum gelangen, wo er den unvergesslichen Eindruck griechischer Tempelbauten hatte. Am 27.April trat er von Rom die Rückreise an, hielt sich noch zwei Tage in Florenz auf und traf am 3.März wieder in München ein, um seine Stelle am Maxgymnasium anzutreten.

Weckleins Streben war von Anfang an auf die akademische Laufbahn gerichtet, daher erwirkte er schon anfangs Juli 1969 auf Grund der oben genannten Schrift seine Habilitation an der Universität München und wurde unter dem 1. November 1869 gemeinsam mit seinem Altersgenossen und Freunde Siegmund Riezler, der ihm nun Ende Januar ds. Jhrs. Im Tode gefolgt ist, als Privatdozent in die philosophische Fakultät dieser Universität aufgenommen. Vom Wintersemester 1869/70 an hielt Wecklein Vorlesungen über Aeschylus’ Prometheus, Aristophanes’ Vögel und griechische Geschichte. Wie später aus der Beschäftigung mit den Schulklassikern so erwuchsen aud sieser akade-mischen Tätigkeit eine erklärende Ausgabe des Prometheus des Aeschylus (1871), ein Schulprogramm des Maxgymnasiums (1872) “Studien zu den Fröschen des Arisophanes” und die später in den Sitzungsberichten der Akademie veröffentlichten Abhandlungen “über die Tradition der Perserkriege” und “Themistokles und die Seeschlacht bei Salamis”. Auf den Vorschlag Halms wurde Wecklein 1872 ausserordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Sein erster Vortrag in der Akademie behandelte gleichfalls ein Thema aus der griechischen Geschichte: “Der Areopag, die Epheten und Naukraren” (1873). Im Dezember 1872 legte der Akademische Senat der Universität München ein Gesuch Weckleins um Beförderung zum ausserordentlichen Professor in der philologischen Sektion der Universität vor, wozu dei philosophische Fakultät in einem ausführlichen Gutachtaen erklärte, so sehr sie die Würdigkeit des Gesuchstellers anerkenne, sei sie zurzeit nicht in der Lage da Gesuch zu befürworten, beantrage jedoch für ihn in Anerkennung seiner Leistungen und zur Aneiferung seines tüchtigen Strebens eine angemessene Remuneration; eine solche in der Höhe von 300 fl. Wurde denn auch bewilligt. Wenn wir den Gründen dieser ablehnenden Halatung nachgehen, so ist der wichtigste wohl der, dass es sich damals um die Errichtung einer weiteren ordentlichen Professur für klassische Philologie handelte, auf die dann 1874 Konrad Bursian berufen wurde; dafür konnte natürlich der junge Studienlehrer noch nicht in Betracht kommen. Andrerseits aber scheint doch auch seine Tätigkeit als akademischer Lehrer nicht völlig enstdprochen zu haben; wenigstens ist mir von älteren Amtsgenossen, die Vorlesungen bei ihm hörten, verschiedentlich versichert worden, sen Lehrvortrag sei zu wenig anregend, eher etwas langweilig gewesen. Da er übrigens 1873 München verliess und erst 1886 dahin zurückkehrte, war die akademische Laufbahn zunächst zu Ende.

Nikolaus Wecklein mit Frau und beiden Töchtern

Greifen wir einen Augenblick zurück! Noch vor seiner Studienreise hatte sich Wecklein mit Magda Zeising, der zu Bernburg in Anhalt geborenen Tochter des Ästhetikers und Erfinders des ästetischen Gesetzes vom goldenen Schnitt Professor Ad.Zeising verlobt, auf der Ilkahöhe bei Tutzing, wie er uns einmal gelegentlich eines gemeinsamen Ausfluges an den Starnberger See fröhlich verriet; und 1870 führte er sie als treue Lebensgefährtin heim. Die Ehe war ausserordentlich glücklich. Die feingebildete, junge Frau nahm am Schaffen ihres Mannes den regsten Anteil; selbst eine humorvolle Erzählerin versuchte sie sich mit Erfolg als Schriftstellerin in ihrer heimischen niederdeutschen Mundart. Die begeisterte Vorliebe für Fritz Reuter, die Wecklein auch auf uns Schüler zu übertragen wusste, stammte von seiner Frau. Zwei Töchter entsprosstem demn Ehebunde, von denen die ältere sich mit dem Nachfolger Krumbachers auf dem Lehrstuhl für byzantinische Philologie, Professor Dr. August Heisenberg, vermählte, während die jüngere unvermählt blieb und in den letzten Jahren die treue Begleiterin und Pflegerin des greisen Vaters wurde: wenn sie mit ihm durch die Anlagen am rechten Isarufer wandelte, dachte mancher, der ihnen begegnete, unwillkürlich an Ödipus und Antigone. Der jungen Ehe drohte ernste Gefahr, als sich Frau Wecklein während des Bamberger Aufenthaltes in Nürnberg einer lebensgefährlichen Operation unterziehen musste, aber die Gefahr ging glücklich vorüber und die beiden Ehegatten konnten 1920 das seltene Fest der goldenen Hochzeit feiern, auch den 80. Geburtstag des Gatten im Februar 1923 erlebte die treue Lebensgefährtin noch in alter Frische, aber nicht lange nachher noch im Jahre 1923 ging sie ihm im Tode voran.

Ihre letzte Ruhestätte fand sie im alten südlichen Friedhof dicht beim Stephans-kirchlein an der Seite ihres Vaters, dessen wohlgelungene Büste das Grab ziert. Dort wollte auch Wecklein ruhen und da eine andere Möglichkeit hierfür nicht bestand, entschied er sich letztwillig für Feuerbestattung; denn seine Aschenurne kann dort noch Platz finden.

Kehren wir zum Gang der Erlebnisse zurück! Zu seiner eigenen überraschung wurde Wecklein für den Beginn des Schuljahres 1873/74 zum Gymnasialprofessor an der Studienanstalt Bamberg befördert, selbst für die damaligen Verhältnisse ungemein früh, da er doch eben erst 30 Jahre alt geworden war. Allein am Bamberger Gymnasium, wo die Lehrer teils überaltert, teils auf einen mehr formalen Grammatikunterricht eingestellt, wenig Anregung boten, tat eine Auffrischung dringend not. “Das Lehrerkollegium sollte bei der Grösse und Bedeutung der Anstalt, soweit als nur immer möglich, aus hervorragenden Persönlichkeiten bestehen, die durch ihre Leistungen bereits einen gewissen Ruf sich erworben haben und durch ihre Gelehrsamkeit und wissenschaftliche Strebsamkeit auch anregend und fortbildend auf ihre Amtsgenossen wirken.” Nun stand seit 1869 an der Spitze des Kultusministeriums Dr. Frh. Von Lutz (geb. 1826), ein unter-fränkischer Landlehrersohn, Absolvent des Gymnasiums Münnerstadt, also ein älterer Studiengenosse Weckleins; does erkannte in Übereinstimmung mit dem eben 1873 von ihm ins Leben gerufenen Oberstenb Schulrat, dem mehrere Lehrer Weckleins angehörten, in dem jungen Landsmann Wecklein den richtigen Mann für Bamberg. Mit der frühen Beförderung Weckleins kam, ähnlich wie mit der Arnolds, ein völlig neuer Grundsatz der Unterrichtsverwaltung zum Durchbruch, der auch heute noch die ernsteste Beachtung verdient. “Dr. Wecklein ist zwar wenn lediglich auf Lebensalter und Konkursjahr Rücksicht genommen werden wollte, zurseit noch nicht an der Reihe der Beförderung zum Gymnasialprofessor, d aus früheren Konkursjahren noch mehrere Studienlehrer vorhanden sind. Er überragt aber an Talent und Gelehrsamkeit alle diese seine Vorgänger, und da es das Interesse der Gymnasien und die Rücksicht auf die Heranbildung und Gewinnung eines tüchtigen Gymnasiallehrerstandes dringend erfordern, begabte junge Lehrer rasch zu fördern und ausserordentliche Leistungen auch durch Anstellung und Beförderung ausser dem gewöhnlichen Gang der Dinge zu belohnen, so glaubt der Minister in dem verhältnismässig noch jugendlichen Alter des Studienlehrers Dr. Wecklein kein Hindernis sener Berufung an die Studienanstalt Bamberg seinen Amtsgenossen ein Sporn und eine Aneiferung zu gleicher Auszeichnung in wissenschaflichem Streben, für das Gymnasium zu Bamberg aber von entscheidendem Nutzen sein werde.”

Nikolaus Wecklein mit Frau; Tochter Annie rechts, darüber Ehamann August Heisenberg

All diese Erwartungen des Herrn von Lutz haben sich vollauf erfüllt; infolge-dessen besass der junge Professor fortan das uneingeschränkte Vertrauen seines Ministers, das sich wie wir sehen werden, noch oft genug äusserte. Andererseits aber war Wecklein stets von hoher Verehrung für den Staatsmann v. Lutz erfüllt und bedauernd äusserte er nach dessen Tode öfters, dass die Biographid dieses hervorragenden Mannes immer noch nicht geschrieben sei.

Gleichzeitig mit der Beförderung wurde Wecklein auch der Auftrag zur Abhaltung von Vorlesungen über klassische Philologie am Lyzeum in Bamberg erteilt, nachdem das Ministerium den bisherigen Inhaber dieser Funktion zum Rücktritt veranlasst hatte. Am Lyzeum hielt er Vorlesungen über die Frösche und die Vögel des Aristophanes, über Aeschylus’ Agamemnon, über einzelne Stücke des Plautus, namentlich aber über Grundzüge der Aesthetik und Aristoteles Poetik. Am Gymnasium führte Wecklein zwei Jahre lang die erste Gymnasialklasse, zwei Jahre die zweite, die jetzige siebente Klasse und fünf Jahre die dritte Gymnasialklasse; während dieser ganzen Zeit erteilte er als Fachlehrer den griechischen Unterricht in der Oberklasse.

Man kann sagen, die Zeit seines Wirkens am Bamberger Gymnasium bezeichnet den Höhepunkt von Weckleins Tätigkeit als Lehrer; denn nicht gehemmt durch lästige und zeitraubende Verwaltungsgeschäfte konnte er sich ganz dem Lehrberufe widmen und er konnte vor allem ausschliesslich in den oberen Klassen des Gymnasiums tätig sein; für den Unterricht in diesen war er auch bei seiner ausgesprochenen wissenschaftlichen Richtung weit besser geeignet als für untere Klassen. Was bedeutete nun Wecklein als Lehrer? Drei Jahre genoss ich seinen Unterricht, in der ersten und zweiten Gymnasialklasse war er unser Klassleiter und in der Oberklasse hatten wir ihn im Griechischen. Wecklein wirkte als Lehrer weniger durch seine Persönlichkeit; die Gabe eines fesselnden Lehrvortrags besass er nicht, wie er denn überhaupt kein Redner im strengen Sinne war, der durch die Macht seiner Worte hätte erwärmen und begeistern können. Dazu fehlten ihm vor allem ein lautes, durchdringendes, modulationsfähiges Sprachorgan und die Gabe vollkommen fliessend zu sprechen.

Wenn sein Unterricht trotzdem eine tiefgehende Wirkung hinterliess, so wurde dies erreicht durch den hohen wert des Unterrichtsstoffes und die Art, wie er ihn auf die Schüler wirken liess. Vor allem ging sein Ziel auf das Ganze; er las mit seinen Schülern die Klassiker um ihres inneren Gehaltes willen, nicht wie das bisher vielfach geschah, um Grammatik daran zu treiben. Dabei ging er gelegentlich sich bietenden interessanten textkritischen Fragen nicht aus dem Wege, sondern suchte daran den Scharfsinn seiner Schüler zu erproben und zu stählen, wie er andererseits selbst aus der Behandlung der Klassiker reiche Anregung für seine wissenschaftlichen, besonders seine textkritischen Arbeiten schöpfte. Er suchte seine Schüler auf der Grundlage einer umfassenden Lektüre einzuführen in den Geist der Antike und in die Geschichte und Kultur des klassischen Altertums. Daher wurden nicht kleine Buchstücke gelesen, sondern ganze Werke; so wurde mit uns in der ersten Gymnasialklasse das ganze bellum civile Cäsars gelesen, in der ersten und zweiten Gymnasialklasse die ganze Odyssee Homers (6 Gesänge im 1. Jahre, 18 im 2. Jahre, darunter nur 3 kursorisch), in der ersten Gymnasialklasse drei ganze Bücher von Xenophons Anabasis, in der zweiten Gymnasialklasse das ganze umfangreiche siebente Buch Herodots, ferner das erste und zweite Buch des Livius ganz und noch ein Teil des dritten; in der ersten Gymnasialklasse aus den ersten acht Büchern von Ovids Metamorphosen die schönsten und für die antike Mythologie und Sagengeschichte wichtigsten Partien mit zusammen 2409 Versen (!), in de Oberklasse fast alle Staatsreden des Demoshenes und zwei ganze Dramen von Sophokles und Äschylus. Und wie wurde der Inhalt des Gelesenen fruchtbar gemacht! Da waren für jede Stunde kurze lateinische Inhaltsangaben der griechischen Historiker Xenophon und Herodot anzufertigen, da musste in einer grösseren deutschen Arbeit die historische Bedeutung von Cäsars Bürgerkrieg dargelegt werden, da waren im Anschluss an Livius Probleme der ältesten römischen Geschichte zu erörtern; aus den Gesängen Homers erwuchsen ganze Reihen interessanter Aufgaben, ja wir mussten unsere Einfühlung in den epischen Stil Homers dadurch erweisen, dass wir in der zweiten Gymnasialklasse im Anschluss an die Lektüre von Herders Cid einzelne Romanzen in diesen Stil in Hexa-metern umzudichten hatten. Und erst Demosthenes! Philipps Politik wurde durch moderne Parallelen aus dem Orient, selbst unter Beziehung der Tagespresse klar gelegt und am Schlusse der Lektüre einzelner Staatsreden hatte der eine oder andere redegewandte Schüler die Rede in de erabeiteten deutschen Musterübersetzung vor seinen lautlos horchenden Mitschülern frei zu halten. Das alles hatte eine tiefgehende Wirkung. Dabei war aber Wecklein weit entfernt von einer einseitigen Betonung der klassischen Sprachen, im Gegenteil, erst durch ihn kam es zu einer richtigen Lektüre auch der deutschen Klassiker, ja er war von Anfang an bemüht, uns auch für die neuere deutsche Literatur zu begeistern, Fritz Reuter, Bodenstedt u.a. moderne Lyriker brachte er uns nahe, und schon in der ersten Gymnasialklasse entlieh er für uns einzelne Bände von Gustav Freytags Bildern aus der deutschen Vergangenheit aus der öffentlichen Bibliothek und gab sie uns zum Lesen.

Bei solcher Wirksamkeit, die natürlich in den Jahresberichten und den Berichten der Ministerialkommissäre volle Würdigung fand, war es nicht verwunderlich, dass Minister von Lutz schon im Herbst 1880 in Übereinstimmung mit dem Obersten Schulrat daran dachte, Wecklein auf das erledigte Rektorat des ihm besonders am Herzen liegenden Gymnasiums Münnerstadt zu berufen; doch liess er vorher deshalb bei ihm anfragen, weil er einer gelegentlichen persönlichen Äusserung Weckleins entnehmen zu müssen glaubte, dass dieser überhaupt nicht geneigt wäre, ein Rektorat zu übernehmen und lieber als Gymnasialprofessor in Bamberg bleiben wolle. Weckleins Erwiderung auf diese Anfrage ist für ihn ausserordentlich bezeichnend; er möchte nicht gern die stille Studierstube mit dem unruhigen Rektorate vertauschen. Überhaupt glaubt er zu den rektoratlichen Bureaugeschäften geringe Befähigung zu haben und fürchtet davon eine Beeinträchtigung seiner wissenschaftlichen Studien, denen ausser der Schule all sein Interesse zugewandt war, und zwar fürchtet er dies nicht von der geschäftlichen Belastung und der Anstrengung seiner Tätigkeit, die ohnehin kaum grösser hätte werden können, als die es in Bamberg war, sondern von der Art der Arbeit, die das Interesse auf verschiedene den Studien fernliegende Gegenstände zu richten zwingt, während in Bamberg seine wissenschaftlichen Bestrebungen im besten Einklang mit seiner Lehrtätigkeit standen. An der Spitze aber steht der Satz “Meine innigsten Wünsche zielen auf eine akademische Tätigkeit”. Dei Ablehnung des Rektorats in Münnerstadt speziell begründete Wecklein in einer seine Gesinnung ehrenden Weise. Er wies daraufhin, dass er Schüler dieser Anstalt sei, und dort noch Professoren tätig seien, die seine Lehrer gewesen waaren, so dass die Autorität des Vorstandes mit der Pietät des Schülers leicht in Zwiespalt geraten könnte.

Münnerstadt kam demnach nicht mehr in Frage, aber Wecklein hatte ausdrücklich erklärt, gewohnt persönliche Rücksichten höheren Weisungen unterzuordnen, werde er einer etwaigen Berufung zum Rektor in keiner Weise widerstreben, sondern die ihm auferlegten Pflichten nach Kräften zu erfüllen suchen.

Bald sollte sich Gelegenheit geben an sein Pflichtgefühl zu appellieren. Ende des Schuljahres 1881/82 erledigte sich durch Pensionierung des bisherigen Inhabers die Stelle des Rektors am Gymnasium Passau. Die Lage war ähnlich wie 1873 in Bamberg. Die bedeutende Anstalt bedurfte als Vorstand endlich eines Schulmannes, dem Takt, Einsicht und Gelehrsamkeit in gleicher Weise zu eigen waren und der es verstand im gesellschaftlichen Leben einer grösseren Stadt sich mit Würde zu bewegen. Einen solchen erblickte man in Wecklein, den “abgesehen von seinen wissenschaflichen Leistungen auch im Verakehr mit den Eltern der Schüler und der übrigen Einwohnerschaft ein sicheres und zugleich gewandtes Auftreten empfahl, das den namhaften Gelehrten und den Mann von feinen Lebensformen kennzeichnete”. Diesmal wurde nicht angefragt, sondern Wecklein wider sein Erwarten anfangs Oktober 1882 als Rektor nach Passau berufen, wo er bis Ostern 1886 wirkte.

Über die Zeit seiner Tätigkeit in Passau sagt Wecklein:”In Passau fand ich sehr angenehme Verhältnisse und wurde mir der dortige Aufenthalt dank kollegial gesinnter Lehrer, anhänglicher und strebsamer Schüler und geselliger Beziehungen der Familie zu einer wahren Idylle.”

Auch als Rektor in Passau entfaltete Wecklein noch eine ziemlich umfangreiche Tätigkeit im Lehramte, indem er in der Oberklasse 13 Wochenstunden Unterricht (6 Stunden Griechisch, 7 Stunden Latein) erteilte. Insbesondere trat jetzt die Lektüre Horaz ind die des Plato in den Vordergrund. Aber sein ersehntes Ziel, den Eintritt in die akademische Laufbahn hat Wecklein auch jetzt noch nicht aufgegeben. Zwar die Verhandlungen wegen einer Berufung andie deutsche Universität in Prag führten nicht zum Siele, da Wecklein schliesslich ablehnte, aber als im Jahre 1885 die durch Bursians Tod erledigte philologische Professur an der Universität München wieder besetzt werden sollte, machte sich Wecklein Hoffnung und ersuchte unter Hinweis auf seine bisherigen wissenschaftlichen Leistungen beim Ministerium um Berücksichtigung. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, wohl aber erfolgte im Mai 1886 seine Berufung an das Maxgymnasium in München, dessen Rektorat durch Linsmeyers Tod erledigt war. Damit war wohl die Möglichkeit an die Universität zu kommen endgültig ausgeschlossen, aber wie zäh Wecklein an diesem Ziele hing, geht daraus hervor, dass er bei seinem Übertritt in den Ruhestand 1913 sich alles Ernstes mit der Absicht trug wieder als Privatdozent an der Universität nochmals eine akademische Lehrtätigkeit zu beginnen und sich nur schwer durch seine nächsten Angehörigen von diesem Plane abbringen liess.

Unter den 54 Schülern der Oberklasse und Abiturienten des Jahrgangs 1886 befand sich auchKronprinz Rupprecht von Bayern, der seine Anhängigkeit an das Maxgymnasium und seinen ehemaligen Rektor späterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit, so namentlich beim 75jährigen Jubiläum 1925, an dem auch Wecklein noch in voller Frische teilnahm, offen bekundete.

Volle 27 Jahre, vom Mai 1886 bis September 1913 stand Wecklein an der Spitze des Maxgymnasiums; 19 Jahre durfte ich unter ihm an der gleichen Anstalt als Lehrer wirken, von 1888 bis 1896 als Gymnasiallehrer in den drei unteren Klassen, von 1896 bis 1907 als Gymnasialprofessor neben ihm in der Oberklasse, während einer Reihe von Jahren habe ich ihn in den grossen Ferien in der Führung der Rektoratsgeschäfte vertreten. Daher bin ich wohl in der Lage ein Urteil über seine Tätigkeit als Rektor abzugeben. Wecklein war weder ein ausgesprochener Verwaltungsbeamter, wozu er sich ja selbst die Befähigung absprach, noch ein Rektor in dem Sinne, dass er mit voller Tatkraft die Schulzucht aufrechterhalten und der von ihm geleiteten Anstalt sozusagen auch den Stempel seines Geistes aufgedrückt hätte. Wecklein hatte überhaupt nicht die Gabe einen schlimmen Schüler hart anzulassen, es fiel ihm sehr schwer einen energischen Tadel kräftig auszusprechen. Niemals habe ich von ihm ein Schimpfwort gehört; allen Schülern brachte er volles Vertrauen entgegen; daher konnte ihn nichts mehr erregen, als wenn dieses Vertrauen durch Lüge und Trug, namentlich dirch den Gebrauch der von ihm so sehr verpönten Klassikerübersetzungen und gedruckten Präparationen missbraucht wurde. Aber es genügte ihm in solchen Fällen zu erklären, dass der betreffende Schüler sein Vertrauen für immer verloren habe. Wie kam es nun, dass trotzdem an dem grossen Gymnasium Zucht und Ordnung herrschte und unter tüchtigen Lehrern teilweise geradezu Vorzügliches geleistet wurde? Ich will versuchen das zu erklären. Minister von Lutz berief Wecklein im Dezember 1887 in den von ihm 1873 geschaffenen Obersten Schulrat. Hier hatte nun Wecklein Gelegenheit bei jeder Stellenerledigung an seiner Anstalt sich solche Lehrer zu sichern, die er entweder schon persönlich als tüchtig kannte oder deren Beurteilung ihm eben als Mitglied des Obersten Schulrats zugänglich war. So wusste er es z.B. zu erreichen, dass schon nach kurzer Zeit drei Lehrer von Passau, die er besonders schätzte, nach München an sein Gymnasium versetzt wurden, und dass wiederum andere, die der Beförderung wegen fortkamen, schon nach nicht langer Zeit an die alte Wirkungsstätte zurückkehren durften. All diesen Lehrern brachte er von vornherein jedes Vertrauen entgegen, sie konnten ungehindert ihre Eigenart entfalsten, wenn sie nur in seinem Sinne die Schüler förderten. So war es selbstverständlich, dass umgekehrt die Lehrer diesem Rektor sein Vertrauen durch freudige Pflichterfüllung vergalten und ihm bereitwillig abnahmen, was ihm lästig war. Die Lehrer hielten selbst Zucht und Ordnung aufrecht und behelligten den Rektor nur dann mit solchen Dingen, wenn eine Rektorsstrafe unvermeidlich war. Daher war der Rektor auch während des Unterrichts selten ausserhalb seines Amstzimmers sichtbar und auch im Lehrerzimmer war er wenig zu finden, jedoch auf dem Rektorat jederzeit, bis in den späten Abend hinein zu haben.

Seine Lehrtätigkeit musste er immer mehr einschränken; im ersten Jahzehnt übernahm er noch in der Oberklasse den ganzen griechischen und die Hälfte des lateinischen Unterrichts (9 Stunden), aber als dann 1897 an die Anstalt ein pädagogisches Seminar kam, musste er sich auf Geheiss des Ministeriums weiter entlasten lassen und konnte nur mehr den griechischen Unterricht (6 Stunden) erteilen. Da er aber nun seit Mitte der 70er Jahre in der Oberklasse beschäftigt war, konnte sich bei ihm die Vorbereitung auf den Unterricht und die wissenschaftliche Arbeit gut verbinden und so konnte er, wie er sich ausdrückte, zwei Fliegen mit einer Klappe treffen. So entstanden die Schulausgaben der Sophokleischen Stücke (München, Lindauer), die auch in Norddeutschland vielfach Verbreitung fanden und zahlreiche Auflagen erlebten; diesen folgte die Neubearbeitung der Wunderschen Sophoklesausgaben bei Teubner, 1885 erschien die textkritische Ausgabe des Äschylus mit den medizeischen Scholien in zwei Bänden bei Calvary in Berlin; daneben eine Ausgabe der einzelnen Stücke mit deutschem Kommentar bei Teubner sowie eine Ausgabe mit neugriechischem Kommentar in der Zographosbibliothek in Athen, zu der Zomarides die Übersetzung ins Neugriechische lieferte. Auch von den Dramen des Euripides liess Wecklein die meisten (ausser den Troades und Rhesos) mit deutschen erklärenden Anmerkungen bei Teubner erscheinen. Die grosse testkritische Ausgabe des Euripides, in drei Bänden (1898 bis 1902) ebenfalls bei Teubner, wurde dadurch ermöglicht, dass nach dem Tode von Rud. Prinzm der bereits Medea, Alkestis und Hekuba herausgegeben hatte, der Teubnersche Verlag die ausgezeichnete Kollation der Handschriften von Prinz für Wecklein erwarb. Zu textkritischen Versuchen an den Tragikern war Wecklein schon als Student in Würzburg durch Urlichs ermuntert worden, der einen ersten Beitrag (zu Soph. Aias 601) in seine Zeitschrift Eos aufnahm. So kam es dann zu der Schrift Ars Sophoclis emendandi 1869 d.h. die textkritische Behandlung des Sophokles, deren Grundsätze aus dem überblick der Fehlerquellen der überlieferung, der Gewohnheiten un Unarten der Abschreiber und sonstiger verschiedener Einwirkungen gewonnen werden. Von Sophocles aus wendete dann Wecklein die gleiche Methode auch auf die anderen Tragiker, und weiterhin auch auf Homer und die Homerischen Hymmned an. 1916 erschien seine Ausgabe der Odyssee mit kritischem Apparat und erklärenden Anmerkungen. Gerne beschäftigte sich Wecklein auch mit Studien über den Gang der Handlung verlorenenr, nur fragmentarisch erhaltener Tragödien. Nicht weniger als fünf grössere Abhandlungen hierüber sind in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaft erschienen. Wie die meisten der genannten wissenschaftlichen Arbeiten gingen die Akademieabhandlungen “Platonische Studien” 1901 und “Über die Kompositionsweise des Horaz und die epistula ad Pisones 1894” unmittelbar aus dem Unterricht hervor.

1887 wurde Wecklein ordentliches Mitgliedder Bayerischen Akademie der Wissenschaften; seine meisten Arbeiten sind in den Sitzungsberichten und Abhandlungen dieser Akademie erschienen: 1891 hielt er bei der Festsitzung der Akademie den Vortrag “Über die Stoffe und die Wirkung der griechischen Tragödie” und wagte sich damit an das alte Problem der Katharsisfrage; in seinen Studien zur Ilias, Halle 1905, behandelte er ein weiteres altes Problem, die Homerische Frage.

Zu diesen vielen grösseren wissenschaftlichen Arbeiten und Abhandlungen kam noch eine Unzahl kleinerer Aufsätze und zahlreiche Rezensionen im Rheinischen Museum, im Philologus, in der Berliner philologischen Wochenschrift, der Wochenschrift für klassische Philologie und ndamentlich auch in unseren Bayerischen Gymnasiumsblättern, in denen sich der greise Gelehrte sogar noch in den beiden letzten Jahren seines Lebens (1925 und 1926) mit einem kleinen Aufsatz vernehmen liess.

Überblickt man diese Menge von Arbeiten, die im einzelnen unmöglich aufgezählt werden können, so kommt man unwillkürlich zu der Einsicht, dass ein Schulmann und noch dazu der Vorstand eines grossen Münchner Gymnasiums unmöglich die Zeit und die Lust zu einer so ausgedehnten wissenschaflichen Tätigkeit hätte finden können, wenn ihm nicht viele Arbeit von seinen treuen Lehrern abgenammen worden wäre. Auch mit den Verwaltungsgeschäften hatte er bald weniger zu tun, als er nach dem Tode eines kränklichen Aktuars in der Person des Sekretärs Kleinhenz, der bis 1925 am Maxgymnasium tätig war, einen ausgezeichneten Kanzleibeamten erhielt, der von früh bis spät im Dienste die Verwaltungsgeschäfte mustergültig besorgte. Nur in den beiden letzten Jahren seiner Amtstätigkeit wurde Wecklein dienstlich mehr in Anspruch genommen, als er sich um den Ersatz des mangelhaften, bloss notdürftig in ein Schulhaus umgewandelten Stiftungsgebäudes in der Ludwigstrasse durch den herrlichen Neubau an der Morawitzky-Strasse in Schwabing, um die Neueinrichtung und die Übersiedlung handelte.

Im Dezember 1887 wurde Wecklein Mitglied des Obersten Schulrates; auch nach dessen Umbildung 1909 wurde er neuerdings in diese Körperschaft berufen und blieb als Senior ihr Mitglied bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienste 1913, also volle 26 Jahre. Da es mir als Ministerialbeamten vergönnt war, auch hier Jahre lang mit ihm zusammenzuarbeiten, möchte ich doch dieser Tätigkeit im Dienst der Schulverwaltung auch einige Worte widmen. An sich selbst hatte Wecklein erfahren, wie vorteilhaft es für das höhere Schulwesen ist, wenn ein tüchtiger Mann in der Vollkraft der Jahre, frisch und arbeitsfähig in höhere Klassen und in eine leitende Stellung kommt. Daher suchte er im Obersten Schulrat bei den Beratungen über Personaländerungen diesem Grundsatz, Auswahl der Tüchtigsten ohne Rücksicht auf die Reihenfolge und das Konkursjahr, zum Siege zu verhelfen. Mehr als einmal ist ihm dies gelungen, und zwar hat ihm, wie wir gleich beifügen wollen, der Erfolg fast immer recht gegeben. Dass er dabei auf die Lehrer seiner Anstalt, die er am besten kannte, besonders Rücksicht nahm, darf nicht wunder-nehmen. So kam es, dass aus dem Kollegium des Maxgymnasiums bis 1908/09 unmittelbar eine stattliche Reihe von Rektoren hervorgingen und von 1909 ab mittelbar als Konrektoren eine nicht minder grosse Zahl. Wie jedem Mitglied des Obersten Schulrats war Wecklein eine Anzahl von Gymnasien und Progymnasien zur periodischen Visitation und zur Verbescheidung ihrer Jahresberichte zugeteilt. So kam er jährlich mehrmals hinaus und lernte allmählich eine ganze Anzahl fremder Anstalten und ihre Lehrer kennen, deren Interessen er dann im Obersten Schulrat vertreten konnte. Natürlich war er dabei genötigt, der Methode des Unterrichts der Lehrer ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Hiefür war es von besonderer Bedeutung, dass er 1901, als die Einrichtung pädagogischer, zunächst altphilologischer Seminare auch in Bayern geplant wurde, mit noch drei weiteren Mitgliedern des Obersten Schulrates eine Informationsreise an ausserbayerische Seminare unternehmen musste, wobei er namentlich den Unterricht bei Fricke in Halle und bei Schiller in Giessen kennen lernte. Seit dieser Zeit suchte Wecklein die “geistige Arbeitsschule”, z.B. durch Übung der induktiven Methode beim Grammatikunterricht, auch in Bayern zur Anerkennung zu bringen. Wer wie ich Wecklein, zum Lehrer gehabt hatte, wusste, dass sein Unterricht von jeher nichts anderes gewesen war als Arbeitsunterricht, Erziehung der Schüler zur Mitarbeit und Selbsttätigkeit, nur sprach er damals nicht viel davon. Jetzt aber, wo das Schlagwort “induktive Methode” auftauchte, meinten viele, damit werde etwas ganz Neues bezweckt, glaubten dann bei jeder Gelegenheit, selbst bei der grammatischen Formenlehre, in unrichtiger Übertreibung diese ihnen neue Methode anwenden zu müssen, und wenn es nicht gelang, waren sie geneigt dem Manne die Schuld zu geben, der die Methode mit Vorliebe empfahl. So erwuchs daraus manch schiefes Urteil über Wecklein, das ich hier richtig stellen muss. Was heute Gemeingut aller einsichtsvollen Pädagogen ist, die “geistige Arbeitsschule”, das vertrat Wecklein zu einer Zeit, wo diese Idee noch nicht allgemein bekannt und angenommen war, das ist es.

Gelegentlich hatte Wecklein im Obersten Schulrat auch wichtige Referate über neu auftauchende Fragen. So erinnere ich mich, dass er sich energisch in wohldurch-dachten Ausführungen für die Sulassung der Mädchen zu den höheren Studien und zur Universität einsetzte, während damals der Korreferent diese Neuerung und damit auch die Koedukation injeder Form ebenso entschieden ablehnte. Bei den bezüglichen Verhandlungen im Ministerium, an denen auch die beiden unermüdlichen Förderer des Frauenstudiums, der bekannte Gynäkologe Geheimrat Winckel und der Dichter Paul Heyse teilnahmen, vertrat Wecklein als Berichterstatter dei Ansicht, dass sich die Koedukation zwar nicht als ideale Einrichtung, wohl aber aus Nützlichkeitsgründen, um dür die höhere Ausbildung der Mädchen eine Möglichkeit zu schaffen, empfehle. Damit drang er damals auch durch. Die Zeit hat Wecklein bald recht gegeben: die ersten weiblichen Privatstudierenden haben bei uns am Maxgymnasium die Reifeprüfung abgelegt, und zwar, da es sich zu jener Zeit noch um hervorragende Ausnahmen handelte, in vorzüglicher Weise. – Die Beteiligung bei der Ausarbeitung neuer Schulordnungen 1903 f. und 1913 f. gab Wecklein Gelegenheit seine langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiete des höheren Schulwesens entsprechend zu verwerten.

Bei der Einrichtung der philologischen Seminare in Bayern war Wecklein in hervorragendem Masse beteiligt; mit Arnold trat er besonders dafür ein, dass diese Seminare nicht an die Universitäten kamen, woran damals auch gedacht wurde, sondern dass sie an einzelne Gymnasien angegliedert wurden. Er selbst wollte kein Seminar an seiner Anstalt haben, daher wurde in München zunächst nur am Wilhelmsgymnasium ein solches errichtet. Als aber infolge der grossen Konkurse die Zahl der (altphilologischen) Seminare 1897 auf acht erhöht wurde, musste er sich fügen. Sein Hinweis darauf, dass er anderweitig zu sehr in Anspruch genommen sei, wurde vom Kultusminister von Landmann damit abgetan, dass er aufgefordert wurde, sich weiter entlasten zu lassen. So war nun Wecklein von 1897 ab bis zu seinem Abgang 1913 auch Seminarvorstand. An sich lag ihm diese Art von Tätigkeit weniger: mit der Theorie der Pädagogik hatte er sich nie recht abgeben und auch in der Geschichte der Pädagogik musste er sich erst einarbeiten. Wohl hielt er den Seminarkandidaten anfangs und auch später einzelne Vorträge darüber, aber bald folgte er seiner Lieblingsneigung die jungen Lehrer wissenschaftlich fortzubilden und zu wissenschaftlichen Arbeiten anzuregen: er unternahm mit den Kandidaten in einer Reihe von Sitzungen die schulmässige Interpretation von griechischen Klassikern, so z.B. von Aristophanes’ Fröschen und Euripides’ Kyklops. Die Einführung in die Mathematik und Didaktik der einzelnen Unterrichtsfächer aber überliess er fast ausschliesslich den Seminarlehrern; er hatte in dieser Hinsicht bei der Auswahl der Seminarlehrer eine glückliche Hand, Männer wie Dr. Knoll, Dr. Ammon, Dr. Januel sorgten dafür, dass die Seminarkandidaten des Maxgymnasiums eine allseitige und gründliche pädagogische Ausbildung erhielten. Die Beurteilung der Leistungen der Kandidaten machte es nötig, dass Wecklein mehr als früher den Probelektionen und Unterrichtsversuchen in den einzelnen Klassen sowie den Hospitierstunden bei verschiedenen Lehrern beiwohnte. Diese wusste er in der Art am Seminarbetrieb zu beteiligen, dass er sie zu Vorträgen über ihren Unterricht in den Seminarsitzungen veranlasste.

Nebenamtlich war Wecklein mit der Aufsicht über den Unterricht am Max-Josephstift für Mädchen in München betraut und hatte dort alljährlich im Hochsommer mehrtägige Unterrichtsbesichtigungen und Prüfungen vorzunehmen. Um die Hebung des Unterrichts besonders im Deutschen und in der Geschichte an dieser Anstalt hat er sich ein grosses Verdienst namentlich auch dadurch erworben, dass er für die Aufstellung tüchtiger Lehrer dieser Fächer sorgte.

Durch persönlichen Einfluss war Wecklein auch hervorragend beteiligt an einer entscheidenden Hebung des Gymnasiallehrerstandes; ihm und mehreren anderen Rektoren gelang es durch erfolgreiche Bemühungen zu erreichen, dass vom 1.Juli 1900 an den Gymnasialrektoren die pragmatischen Rechte sowie Rang und Gehalt von Regie-rungsräten verliehen wurden.

Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, dass Wecklein die wissenschaftliche Fortbildung der Lehrer sowie ihre Anregung zu wissenschaftlicher Arbeit besonders am Herzen lag. So war er wie nicht leicht einer von seinen Amtsgenossen geeignet, in den Prüfungskommissionen für Lehramtsprüfungen mitzuwirken. Viele Jahre hindurch gehörte er abwechselnd demPrüfungsausschusse für Hauptprüfung aus den philologisch-historischen Fächern, namentlich aber der Kommission für sog. Sozialprüfungen an; hier tat er sein möglichstes, um durch entsprechende Anforderungen die Spezialearbeiten auf wissenschaftlicher Höhe zu halten. In diesen Arbeiten sah er mit Recht den nötigen Antrieb zu selbständiger wissenschaftlicher Tätigkeit, wie denn auch in der Tat für viele bayerischen Gymnasiallehrer die Arbeit für Spezialexamen der Ausgangspunkt für umfassendere Studien und geradezu für wissenschaftliche Werke wurde. Als daher mit der neuen Prüfungsordnung von 1895 die mildere Richtung im Obersten Schulrat trotz seines heftigen Widerspruchs siegte und das Spezialexamen fiel, war er tief bekümmert und gab seinen Befürchtungen für einen Niedergang des Standes in wissenschaftlicher Hinsicht unverhohlen Ausdruck. Wie gegründet dies Besorgnisse waren, hat die Folgezeit gezeigt. Die seit 1895 für den zweiten Prüfungsabschnitt verlangten Arbeiten brauchten nicht mehr neue wissenschaftliche Ergebnisse aufzuweisen, es genügte, wenn sie nur die richtige Methode wissenschaftlichen Arbeitens erwiesen. Im übrigen konnten sie sich auch die Nachpraüfung bereits erörterter Fragen und ähnliche Zusammenfassungen beschränken.

Aber nicht nur als Mitglied des Staatsprüfungskommissionen hat sich Wecklein die wissenschaftliche Hebung des Standes angelegen sein lassen, eindringlicher noch hat er durch private und persönliche Aneiferung und Anleitung gewirkt. Hatte er damit schon in Bamberg und Passau in einzelnen Fällen erfolgreich begonnen, so sammelte er alsbald nach seiner Rückkehr nach München 1886 einen Circulus philologicus um sich, der teils aus seinen älteren Freunden (ich nenne Ohlenschlager, Meiser, Roemer, Wailhelm Meyer aus Speyer usw.) bestand, die wie er wissenschaftlich gerichtet durch eigene Arbeiten anregen konnten, teils aus jungen Kollegen, die von ihm eigens eingeladen waurden. Dieser Kreis versammelte sich regelmässig am Ende jeder Woche zu anregender Unterhaltung in einer der Münchener Gaststätten. Wie viele wissenschaftliche Fragen wurden da erörtert, wie viele Pläne geschmiedet, wie viele Erfolge gefeiert! Da tauchten sie alle aus der Erinnerung auf, die lieben Genossen dieses Kreises: Schreibmaier, Nicklas, Landgraf, Krumbacher, Rück, Dittmeyer, Zomarides, Ammon, Adolf Dyroff, Zimmerer, Knoll, Praun, Menrad, Weber, Stadler, Stählin, Theodor Preger und noch viele andere; leider sind nicht wenige von ihnen ihrem geistigen Führer im Tode vorangegangen.

Aber nicht nur zu ernsten Dingen sammelte Wecklein die Freunde und Kollegen um sich, sondern auch zu froher Wanderfahrt. Weckleins Bild wäre nur halb gezeichnet, wollte man nicht seine Freude an Gottes herrlicher Natur und seine Wanderlust hervorheben, Vorzüge, die ihm bis ins hohe Alter die Frische und die Lebenslust der Jugend bewahrten. Schon in Bamberg durchzog er mit gleichgesinnten Freunden die grünen Forsten des Steigerwaldes hinaus bis zu seinen äussersten Punkt, dem aussichts-reichen Zabelstein oder hinunter bis Kloster Ebrach, von Pasau aus ging es nach allen Richtungen in den Bayerischen Wald, aber das rechte Wanderleben begann erst in München. So arbeitsfreudig auch Wecklein war, die Sonn- und Feiertage und die Ferien gehörten ausschliesslich der Erholung. Jeder Sonntag traf ihn mit guten Bekannten im Isartal, an Weihnachten, Ostern und Pfingsten aber durchzog er mit einem grösseren Kreis die engere und weitere Umgebung Münchens nach Norden bis Freising, Moosburg und Landshut, bis Scheyern und Altomünster, nach Osten bis Wasserburg, Aibling und Rosenheim, nach Süden in die Voralpen, auf die Tegernseer und Schlierseer Berge, die Brecherspitze und Bodenschneid und ins Schwabenland, nach Schongau und Altenstadt am Lech, nach Wessobrunn und auf den Peissenberg, nach Westen bis Aichach und Wittelsbach. Natur- und Kunstgenuss kamen da in gleicher Weise zu ihrem Recht. Die grossen Ferien aber waren ausschliesslich weiten Reisen vorbehalten, die er mit seiner Familie meist ins Ausland, in die Schweiz, Südfrankreich, die Tiroler Alpen, Oberitalien usw. unternahm. Noch liegen Ansichtskarten vor mir, die er mir im August 1900 vom Montblanc und aus dem Chamonixttal geschrieben hat. Hatte er in jungen Jahren Italien bis Paestum gesehen, so gelangte er spät erst, Ostern 1901, in das Land seiner Sehnsucht, nach Hellas, indem er mit 4 wöchigem Urlaub an einer Greichenlandfahrt teilnehmen konnte, von der er riefe und nachhaltige Eindrücke mit heimbrachte.

So überschritt er, jugendfrisch an Geist und Körper, im Februar 1913 die Schwelle des 70. Lebensjahres. Dies schien ihm ein Fingerzeig zu sein, und so reichte er anfangs Juni sein Gesuch um Versetzung in den Ruhestand ein: “Obwohl ich mich noch im Besitze voller Dienstfähigkeit fühle und mich der Hoffnung hingebe, in meinem Diensteifer nicht nachgelassen zu haben, glaube ich doch, eingedenk des nunmehr erreichtaen 70. Lebensjahres, der Mahnung Jüngeren Platz zu machen nachkommen zu müssen.” Der Übertritt in den dauernden Ruhestand wurde ihm mit Wirkung vom 1.Sept. 1913 unter ehrenvoller Auszeichnung bewilligt.

An äusseren Ehrungen hat Wecklein überhaupt nicht gefehlt. 1891 erhielt er den Michaelsorden IV. Klasse, 1899 den Titel Oberstudienrat, 1901 den Michaelsorden III. Klasse, 1909 anlässlich der 150. Jubiläumsfeier der Akademie der Wissenschaften die Ludwigsmedaille für Wissenschaft und Kunst, 1911 das Luitpoldkreuz für 40jährige Dienstzeit, 1912 das Ehrenkreuz des Verdienstordens vom hl.Michael und 1913 aus Anlass seiner Enthebung als Mitgleid des Obersten Schulrats den Titel und Rang eines K.Geheimen Hofrates. Ausserdem war er Ehrenmitgleid des “Syllogos Philologicos” in Konstantinopel und der “Wissenschaftlichen Gesellschaft” in Athen.

Aber lieber als alle diese offiziellen Auszeichnungen waren ihm doch die von Herzen kommenden Ehrungen und Feste, die Schüler, Kollegen und Freunde ihm immer wieder in gleicher Anhänglichkeit veranstalteten. Den äusseren Anlass dazu bot alljährlich das Fest seines Namenspatrons, des hl.Nikolaus am 6.Dezember. Schüler und Lehrer der Anstalt wetteiferten da mit herrlichen Darbietungen, besonders musikalischer Art; denn das Maxgymnasium barg in seinem Lehrerkollegium Künstler ersten Ranges. Zu einem glänzenden Ehrentag gestaltete sich die Feier des 25jährigen Rektoratsjubiläums am 10.Oktober 1907, der die Teilnahme der zahlreichen aus ganz Bayern herbeigeeilten Rektoren, die aus dem Maxgymnasium hervorgegangen waren, eine besondere Note verlieh. Das Lehrerkollegium widmete ihm damals eine künstlerische Photographie des Reliefs “Orpheus und Eurydice” im Museo Nazionale in Neapel; der Tag war schulfrei. Der Feier seines 70. Geburtstages (19. Februar 1913) ging Wecklein in aller Bescheidenheit aus dem Wege, indem er zu einer Visitation des Progymnasiums nach Rothenburg o.T. reiste. Aber er war nicht wenig überrascht, als am Morgen dieses Tages seine treue Lebensgefährtin urplötzlich im Hotel in Rothenburg erschien, weil sie es sich nicht nehmen lassen wollte ihn persönlich zu beglückwünschen. Die glänzendste Feier aber, die ihm geboten wurde, war doch die seines 80. Geburtstages am 18. und 19. Februar 1923, an der auch Staatsminister Dr. Matt teilnahm. Obwohl die Feier in die Zeit der schlimmsten Inflation fiel, hatten doch Hunderte von ehemaligen Schülern und Kollegen es zu Wege gebracht ihm eine künstlerisch ausgestattete Adresse zu widmen, deren ausgezeichneten lateinischen Text unser trefflicher Stilist Dr. Ammon verfasst hatte.

Das otium des Ruhestandes fasste Wecklein natürlich nur als das Freisein vom negotium, von den Amtsgeschäften auf. Nach wie vor widmete er sich eifriger wissenschaftlicher Tätigkeit und noch zahlreiche Proben namentlich seiner textkritischen Studien erschienen zwischen 1913 bis 1922 in den Sitzungsberichten der Akademie, bis die zunehmende Inflation ein unüberwindliches Hindernis für die Drucklegung und Veröffentlichung streng wissenschaftlicher Arbeiten bildete, das bekanntlich noch immer nicht beseitigt ist. So kommt es, dass zei grosse Arbeiten Weckleins ungedruckt hinterlassen worden sind, die “Ausgabe der Ilias” und das Corpus: Tragici Graeci ad fidem optimorum librorum recensiti. Schdem denn diese Leistungen hätten einen würdigen Abschluss der Lebensarbeit des nimmermüden Gelehrten gebildet!

Nach wie vor setzte er seine Wanderungen fort, nach wie vor erschien er bis wenige Wochen vor seinem Tode im Kreise seiner Kollegen und Freunde. Sein besonderes Glück aber fand er im Schosse der Familie; mit berechtigtem Stolze erfüllte ihn nunmehr die Entwicklung seiner beiden hochbegabten Enkel Dr. Erwin und Dr. Werner Heisenberg; war es für den Grossvater schon eine herzliche Freude, als er sie nacheinander in sein Gymnasium als Schüler eintreten sah, so steigerte sich diese in dem Masse, wie sich ihre wissenschaftliche Bahn aufwärts bewegte: immer wieder erzählte er von seinem Enkel Werner, der als Privatdozent der Mathematik von anerkanntem Rufe nunmehr schon zum zweiten Male zur Vertretung eines Ordinarius seines Faches an die Universität Kopenhagen berufen ist.

Auch über das 80. Lebensjahr hinaus blieb Wecklein geistig und körperlich völlig rüstig; es war wahrhaft ergreifend, als der fast 83jährige bei meinem eigenen Scheiden aus dem Amte an einem Dezemberabend 1925 in einer grossen Versammlung sich zu einer längeren warmherzigen Ansprache erhob. So hätte sich Wecklein eines vollkommen glücklichen Lebensabends erfreuen können, wenn nicht eines dazwischen eingetreten wäre, das Unglück des deutschen Vaterlandes. Nicht leicht konnte dieses einen deutschen Mann schwerer treffen als gerade ihn. Er hatte jugendlich begeistert die Reichsgründung und den Aufstieg Deutschlands von 1870 an miterlebt. Wie oft erzählte er uns, dass er an der denkwürdigen Nachtsitzung der bayerischen Abgeordnetenkammer im Juli 1870 teilgenommen habe, in der Professor Sepp entgegen seinem ursprünglichen Antrage auf bewaffnete Neutralität für die Teilnahme am Kriege und die Mobilmachung stimmte und so seine Partei mit fortriss. Wecklein war weiterhin ein glühender Verehrer Bismarcks und suchte schon uns Schülern gelegentlich der Lektüre des Demosthenes Verständnis für die Politik des grossen Staatsmannes beizubringen. In gleicher Weise war er in Bayern der Politik des von ihm verehrten Ministeriums Lutz und damit der liberalen Partei zugetan. Gleichwohl ertrug er äusserlich den Zusammenbruch Deutschlands mit männlicher Fassung, ohne zu Murren fügte er sich in die Nöten der Kriegs- und Nachkriegszeit. “Wir hungern und frieren, aber wir wissen es zu tragen”, gab er einmal auf die Frage nach seinem Befinden während dieser Zeit zur Antwort. Um wenigstens in etwas dem Vaterland zu dienen, hatte er sich während des ersten Kriegsjahre dem Ministerium zur Verfügung gestellt und erteilte auch einige Zeit in dem seiner Wohnung nächsten gelegenen Wilhelmsgymnasium in der Oberklasse griechischen Unterricht, wofür ihm 1917 das König Ludwigskreuz verliehen wurde.

Im Laufe des Jahres 1926 nahmen seine Kräfte langsam ab. Einst hatte er geäussert: “O wie ist doch das Leben schön. Wenn ich es nur recht lange geniessen könnte.” Im Frühjahr 1926 antortete er auf die Frage nach seinem Befinden: “Ich höre nicht mehr recht und sehe nicht mehr recht; das Leben ist nicht mehr schön.” So hatte er mit dem Leben abgeschlossen und erwartete sich nichts mehr davon; aber immer noch blieb sein Geist rege. Als ich Ende Juni 1926 von einer 4 wöchigen Reise als Reichskommissar aus Spanien zurückgekehrt war, besuchte ich ihn anfangs Juli und erzählte ihm einen ganzen Nachmittag von meinen Erlebnissen, was siene lebhafte Teilnahme erregte. Aber nicht lange danach traf ihn auf einer Ruhebank am Possartplatz ein Ohnmachtsanfall, von dem er sich allerdings, nach Hause gebracht, noch einmal erholte. Allein es war doch der Anfang vom Ende: Er wurde immer müder und schwächer und zuletzt hielt ihn nur noch der feste Wille am Leben, seine Tochter und seinen Schwiegersohn wiederzusehen, der Ende August mit seiner Frau eine wissen-schaftliche Reise nach London, Paris und Madrid angetreten hatte. Wenige Tage, nachdem seine Angegörigen wieder in München eingetroffen waren, schloss er am Abend des 19. November sanft und ruhig die Augen zum ewigen Schlaf. Die gewaltige Beteiligung an der Feuerbestattung im Ostfriedhof am 23. November gab ein beredtes Zeugnis dafür, welche Verehrung und Hochachtung der Verblichene sich allseits erfreut hatte.

Wecklein war ein durch und durch idealer Mensch voller Begeisterung für alles Schöne, Edle und Gute, ein Mann von unbedingter Wahrheitsliebe und Überzeugungs-treue, von strengstem Pflicht- und Verantwortlichkeitsgefühl, das er auch in seinen Schülern zu erwecken und zu erhalten verstand, wie er sie andererseits zur Selbständigkeit und Selbsttätigkeit zu erzielen wusste. Dabei aber – und das ist doch die Hauptsache für sein eigenes Leben – fülte er, dass er mit seinen redlichen Bemühungen auch Erfolg hatte, und so war er auch glücklich. Dies zum Beweise möchte ich an den Schluss meiner Ausführungen die schlichten Worte setzen, in die er sein schmales curriculum vitae ausklingen lässt: “Ich war glücklich in der Wahl meines Berufes, da mir die Arbeit nicht eine Last, sondern eine Lust war. Glückliche Familienverhältnisse von Frau, zwei Töchtern und dem Schwiegersohn August Heisenberg hätten dam Ganzen die Krone aufgesetzt, wenn nicht der Kummer über das Unglück des Vaterlandes den Lebensabend bitter getrübt hätte.”

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