Aus dem Brief von Lina Zeising

                (Anmerkung von J.H.: Die Schreiberin ist die Schwester von Adolf Zeising. Der Brief ist an Margarethe Wecklein, geb. Zeising, adressiert, Tochter von Adolf Zeising und Grossmutter von Werner Heisenberg.)

 

 

Bernburg den 29sten Juni 76

 

Mein liebes gutes Margdchen!

                Viel Freude hat es mir gemacht, dass die herrlichen Quartette in unserem elterlichen Hause im Nekrolog mit angeführt sind, sie waren beim Schreiben meinen Gedanken doch entschlüpft obschon ich sie nicht vergessen hatte. Ja das waren auch für uns Kinder freudenreiche Tage, im Winter fanden sie natürlich im Zimmer statt dann fanden sich unter den Fenstern oft zahlreiche Zuhörer ein, wie dies auch geschah wenn der sel. Vater den Vormittag für sich allein im Zimmer präludierte, phantasierte. Im Sommer waren die Quartette aber häufig mitten im Walde auf einem schön gewählten Platze. Da musste dann das Mädchen mit einem Tragkorb mit, worin Lebensmittel und Geschirr gepackt war, denn die 3 dazu geladenen Herren waren natürlich unsere Gäste. Auch musste das Mädchen die Instrumente tragen. Am Platze angekommen suchten wir Kinder Holzreisig zusammen, das Mäd. baute unterdes aus Steinen einen Herd zusammen und bald verbreitete sich um uns der herrlichste (Küchen?)geruch, denn dieser durfte beim sel. Vater nicht fehlen. Auch für die sel. Mutter waren dies wirkliche Festtage; sie liebte die Musik gleichfalls sehr und hatte sich, da sie stolz auf des sel. Vaters Leistungen war, einen wirklich guten Geschmack angeeignet; und dass sie sich für seine Kunst interessierte, machte wieder dem Vater viel Freude. Eines ist mir in dieser Beziehung noch recht in der Erinnerung; er beschäftigte sich nähmlich auch vielfach mit Violinenbau, natürlich nur in theoretischer weise, er erkannte augenblicklich wenn aus einer weniger guten Violine durch einige Änderungen eine gute gemacht werden konnte und dies hat er in der That bewiesen. Denn er hat mehrfach billige gekauft und sie bei einem damals in Ballenstedt lebenden geschickten Instrumentenmacher nach seinen Angaben und in seinem Beisein ändern lassen und 2 Stück sind, dies weiss ich noch genau, in Hamburg zu einem ziemlich hohen Preise verkauft. Zu einer Zeit als er 2 solche Violinen im Hause hatte und er früh wie gewöhnlich seinen musikalischen Studien oblag, kam er zur Mutter in die Küche und sagte ihr sie möge mal auf sein Spiel, was nun beginnen solle recht genau achten, er werde 2 verschiedene Violinen spielen nach eingetretener Pause werde er die 2te spielen, dann solle sie ihm mal sagen, welche sie für die bessere hielt, und als sie wirklich das Richtige heraus gefunden hatte, erklärte er sie freudestrahlend für eine würdige Musikers Frau. Aber dass er mit einem Wiener Künstler (Seidel) Kunstreisen gemacht hätte, davon ist mir durchaus nichts bekannt, so viel ich auch darüber nachgesonnen habe. Durch das viele Nachdenken ist mir zwar, als hätte er mal eines Freundes erwähnt, den er vielleicht in Amsterdam kennen gelernt hätte, der ihn aber später hintergangen und betrogen hätte, doch ist mir dies alles so unklar dass ich keinen Anknüpfungspunkt und Zusammenhang finden kann. Auch von Zeitungen weiss ich nichts; ach damals war es ja noch nicht so wie jetzt, wo viel über Kunst geschrieben wird; wie wenig Zeitungen gab es sonst und diese enthielten fast nur politische und Staats-Angelegenheiten. Dein g. sel. Papa hat wahrscheinlich einen Legitimations-Schein und eine Quittung (sie ist wie) in französischer Sprache, die er mit aus Westindien gebracht hat, gemeint, diese hat sich Käthchen als sie 1868 hier war mit nach Glasgow genommen.

                Von dem was ich dir heute schreibe kannst du vielleicht … für die Familienchronik gebrauchen. Heute nur noch eins, Als in Leipzig das grosse Guttenbergfest zum Andenken der Erfindung der Buchdruckerkunst gefeiert wurde, vielleicht im Jahre 1837 od. 38 da schickten alle Buchdruckerei Besitzer Deutschlands Gedichte zu, dessen Verherlichung ein, und der damals Einzige Bernburgs HE Gröning wandte sich deshalb mit der Bitte ein Gedicht hierzu zu machen an deinen sel. Papa; vielleicht ist es in seiner Gedicht Herausgabe. Nach kurzer Zeit als dies fast vorüber war, kam HE Gröning mit einem Briefe den er von einem Geheimen Hofrath Reich aus Dresden erhalten hatte, worin er anfrägt ob der Verfasser des Gedichts Ad.Zeising vielleicht der Sohn des verstorbenen früher in Ballenstedt lebenden Cammermusicus Z. sei? Für Letzteren interessiere er sich noch immer sehr, denn er hätte ihm zu seiner Zeit viele hohe Kunstgenüsse zu danken gehabt und wenn dieser, wie er vermuthen müsste dessen Sohn sei, so wäre er der würdige Sohn seines Vaters, denn was jener herrliches in der Musik, das leiste der Sohn in der Poesie, er möchte ihm dann seinen Brief mittheilen.

                So etwas sind frohe angenehme Erinnerungen, in solcher Weise gedenkt man gern der lieben Vertorbenen.

                Die Angaben von den Jahreszahlen im Nekrolog, vom Abgang de. l. Papas v. Gymnasium u. Universität, wie Anstellung treffen genau mit meinen Berechnungen die ich noch, ehe ich deinen lieben Brief erhielt, genau zusammen, also sind sie gewiss richtig.

                Petris sind von 14 Tagen glücklich und Gott lob viel wohler als voriges Jahr von Karlsbad zurück gekehrt. Dem Onkel ist die Cur diesmal viel besser bekommen, und auch bei Vetter Hermann schlägt die neue Cur recht gut an. Petris sind glücklich wieder in ihrem hübschen Heim zu sein. Ich aber, denke mal die alte kröpliche Tante Line geht jetzt mit dem Plane um, in den ersten Tagen des Juli, 5ten oder 6ten nach Stuckberg bei Zuobst zu reisen. Pastor Schmidts haben mich freundlich eingeladen, ich bin früher öfter dort gewesen und so Gott will, denke ich dieselbe noch einmal anzunehmen und die kl. Reise zu machen. Ich freue mich darauf mal einige Wochen mit lieben Menschen zusammen zu sein. Wie oft ich in dieser Zeit gewünscht habe, mich mit dir mal aussprechen zu können, kann ich dir gar nicht sagen. Du hast mir in dieser traurigen Zeit Beweise herzlicher Liebe und Aufmerksamkeit erwiesen, die ich mit recht dankbarem Herzen anerkenne. Hoffentlich werdet Ihr, auch deine l. Mama und Käthchen die alte vereinsamte Tante ferner hin auch nicht vergessen, ich verlange ja weiter nichts als Eure Liebe, diese lässt sich zwar nicht erzwingen, aber ich denke doch, dass ich Euch von Kindesbeinen an, (wie man zu sagen pflegt) bewiesen habe mit welch inniger Liebe ich an Euch hänge wie sich mein ganzes Leben und Denken fast nur um Euch gedreht hat. Mit der Bitte Deinen lieben Mann aufs freundlichste zu grüssen und die lieben Kleinen die so gern Bernburg spielen viele tausen Küsse in meinem Nahmen zu geben, bleibe ich wie immer

 

Deine

Dich sorglich liebende Tante

Lina

 

Meine Adresse in Stockberg

L.Z.

Adress. Herr Pastor Schmidt

In Stuckberg, bei Zoubst

 

Sollte nichts aus der Reise werden, bekömmst Du Nachricht.

 

Wie bist Du mit Mamas Mädchen zufrieden?

 

 

 

 

 

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